Magda Olivero - Betriebsrat des darstellenden künstlerischen Personals der Wiener Staatsoper

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Immer eine Diva – 104 Jahre lang

Magd als Herrin: Mit der am Montag in Mailand gestorbenen Magda Olivero ist die letzte Primadonna des Verismo verstummt. Ihre Kunst der Künstlichkeit übertraf selbst den Ausdrucksvulkan Maria Callas.

Auch Diven sind nicht gänzlich unsterblich, obwohl ihre Berufsbezeichnung solches ja suggeriert. Und so wurde jetzt Magda Olivero, die vielleicht letzte Operndiva, die diesen heiligsten Ehrentitel der Melomanen verdient hat, am 8. September 2014 im wahrlich biblischen Alter von 104 Jahren abberufen. Und auch vorher hatte sie mit einer wirklich einzigartigen Karriere jeder Erdenschwere und Endlichkeit scheinbar getrotzt. Selbst im Sterben hat man sie noch theatralisch verabschiedet: Die Mailänder Scala ehrte La Olivero bereits an ihrem Todesabend vor einem Liedrezital mit einer Schweigeminute.
Wenn die Olivero Tosca sang, Puccinis "Mädchen aus dem goldenen Westen", Francesco Zandonais ehebrecherische Francesca da Rimini, Alfredo Catalanis freiheitsliebendes Alpenmädchen "La Wally" oder Umberto Giordanos russische Großfürstin Fedora, alle diese, heute ein wenig altmodisch sepiabraun getönten Opernheroinen mit Überego und szenenfüllender Allüre, dann lebten diese Heldinnen des Verismo plötzlich eine hell lodernde, ihr Publikum unbedingt bannende Bühnenexistenz.
Weil diese Sängerin es wie keine andere verstand, ihre Frauengestalten gleichzeitig zerbrechlich und doch stark erscheinen zu lassen, zutiefst verletzt und im Leiden sich zur Größe emporschwingend. Auch diese eigentlich zarte Person wurde dann plötzlich zur sehnig zähen Kämpferin. Solches teilt sich selbst in den vielen, akustisch unzulänglichen, gleichwohl Kultstatus genießenden Livemitschnitten der von der Plattenindustrie chronisch vernachlässigten Magda Olivero mit. Schluchzer, heftiges Atmen, unterdrückten Töne offenbaren bei ihr ein fesselndes, völlig aus der Mode gekommenes Ausdrucksrepertoire, das längst Geschichte ist.
Ein herrlicher Primadonnen-Happen
Äußerlich gestrig und trotzdem voll innerer Wahrheit, wird hier eine Kunst rückhaltloser Vergegenwärtigung beschworen, wie sie heute altmodisch, trotzdem faszinierend auf die Nachgeborenen wirkt. Selbst der Vulkan lt Maria Callas konnte sich bei der zu ihrer eigenen Glanzeit ebenfalls auf den großen Bühnen Stehenden Einiges an Raffinesse und variantenreicher Emotionalität abschauen.
Doch zur Signaturrolle Magda Oliveros wurde der herrliche Primadonnen-Happen der Adriana Lecouvreur, der an vergifteten Veilchen sterbenden französischen Rokoko-Schauspielerin, die den Prinzen Moritz von Sachsen liebt, und von einer eifersüchtigen Rivalin aus dem Weg geräumt wird. So wie sie sich immer wieder für deren Komponisten
Francesco Cilea in dessen 1902 uraufgeführtem, herrlich plüschigem, doch ungeheuer bühnenwirksamem Schmachtfetzen in die "umile ancella del genio creator", die niedrigen Magd für die Kreativität des Künstlers verwandelte, so sehr tat sie das doch scheinbar spontan, dabei mit dem Auftreten einer in jeder Aufführungssekunde souverän wirkungsbewussten Tragödin. Die Olivero hatte in ihre besten Zeit das Durchscheinende, die Unschuld eines naiven Mädchens und die verführerische Durchtriebenheit einer großen Kurtisane.
Und dabei wusste sie mit der Sprache umzugehen, mit wehen Halbtönen, Girren und Grollen, Flüstern und Verführern zu bezirzen und zu bezaubern wie keine Zweite. Und immer konnte sie dabei von der vokalen Beschränktheit ihrer nicht großen, auch nicht wirklich schönen, aber eben ausdrucksmächtigen Stimme ablenken. Das war selbst im hohen Alter noch spürbar, als sie immer noch kurze Proben ihres Genies gewährte, hellwach, ein schlohweißer, doch erfrischend gegenwärtiger Geist aus einem anderen Opernjahrhundert.
Zauberkunst und technische Fertigkeit
Die am 25. März 1910 in Saluzzo geborene Magda Olivero verband die Zauberkunst des Verismo freilich mit der der technischen Fertigkeit des Belcanto. Nach ihrem Studium in Turin debütierte sie 1933 dort als Lauretta in Puccinis "Gianni Schicchi". 1938 wirkte sie in einer legendären Einspielung von Puccinis "Turandot" als zarte Liù mit.
Nach ihrer Heirat mit einem Industriellen gab sie freilich 1941 ihre Karriere auf, wollte als Mutter der Bühne entsagen. 1951 aber erfüllte sie den Wunsch Cilesa, der sie vor seinem Tod noch einmal als Adriana hören wollte. Der Erfolg bewog die Sängerin nach zehnjähriger Pause ihre Karriere wieder aufzunehmen. 1975 gab sie als 65-jährige Tosca ihr gefeiertes Debüt an der Met in New York. Sie setzte ihre Karriere bis ins hohe Alter fort und trat noch 1990 ein letzes Mal als Adriana auf.
Künstlichkeit, die Kunst wird. Bei Magda Olivero war das zu studieren. Sie war persönlickeitsstark und bescheiden. Eine echte Diva. Nun ist sie endgültig von der Vergangenheit verweht.
(mehr dazu: http://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article132052630/Immer-eine-Diva-104-Jahre-lang.html)


 
 
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